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Nahrungsmittel Unverträglichkeiten 2

 

Milch ist gesund, kann aber auch Probleme machen. Die wohl älteste und am weitesten verbreitete Nahrungsmittelunverträglichkeit ist die Laktoseintoleranz. In Europa leiden etwa ein Drittel der Bevölkerung darunter, in Japan weit über 80%. Wie kann es sein, dass ein so hoher Prozentsatz mit einem angeblich gesunden Grundnahrungsmittel Probleme hat? Nun, die Antwort ist relativ einfach: wir sind als Säugetiere unmittelbar nach der Geburt darauf ausgelegt, uns von Muttermilch zu ernähren. Die Natur hat aber nicht eingeplant, dass wir als Erwachsene immer noch am Versorgungssystem der Mutter hängen.

Milch, ein hochkomplexes Lebensmittel

Muttermilch ist das einzige Lebensmittel, das ganz allein eine vollkommene Versorgung des Neugeborenen mit allen nötigen Nährstoffen, Spurenelementen, Fett, Eiweiß und Kohlenhydraten versorgen kann. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Kinder, die mit artfremder Milch (z.B. Kuhmilch) ernährt werden, gegen einige Inhaltsstoffe, meist Proteine, Allergien entwickeln. Diese Kuhmilchallergien haben den Vorteil, meist nach wenigen Jahren von selbst zu verschwinden. In der aktuellen Beratung für Säuglingsernährung ist daher das Stillen (wieder) als wichtig und gesundheitsförderlich erkannt worden. Milch von der eigenen Spezies wird jedoch von praktisch allen Säuglingen gut vertragen – woher kommt dann die Laktoseintoleranz?

Proteine, Fett und Zucker sind die wichtigsten Energielieferanten

Während Proteine von Art zu Art unterschiedliche Strukturen aufweisen, welche auch vom Immunsystem erkannt werden können (Allergie), ist Fett weitgehend und Zucker vollkommen unabhängig von der Spezies. Die in der Milch vorkommende Laktose ist ein so genanntes Di-Saccharid, das heißt dass es aus zwei Einzelzuckermolekülen besteht. Disaccharide können vom Darm nicht aufgenommen werden, sie müssen im Darm in ihre Einzelzucker aufgespalten werden. Im Falle der Laktose ist das Enzym Laktase für die Spaltung in die Einzelzucker Glukose und Galaktose verantwortlich. Neugeborene sind auf Laktose als einzige Zuckerquelle angewiesen, deshalb produzieren sie in ihrem Darm auch große Mengen an Laktase, um die mütterliche Zuckerquelle optimal nützen zu können.  Im Zuge der Adoleszenz (Erwachsenwerdens) wird dann die Produktion der Verdauungsenzyme umgestellt und dabei meist auch die Produktion der Laktase verringert.

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Anpassung, Entwicklung und Alter

Bei jenen Bevölkerungsgruppen, die Viehzucht betreiben, haben sich im Laufe vieler Generationen diejenigen Menschen durchgesetzt, bei denen die Produktion der Laktase noch bis ins Alter „einprogrammiert“ ist. In Japan, wo der Milchkonsum traditionell sehr gering ist (Fische geben keine Milch), wird die Laktase-Aktivität schon während der Pubertät drastisch reduziert, weswegen ein Großteil der erwachsenen Japaner eben keine Milch verträgt.
In jedem Fall wird jedoch die Menge der im Darm hergestellten Enzyme im Laufe des Alterungsprozesses immer weniger, daher nehmen parallel dazu die Unverträglichkeitsreaktionen zu

Unverträglichkeiten sind immer mengenabhängig!

Im Gegensatz zu Allergien, wo bereits kleinste Menge zu heftigen Reaktionen führen können, werden Unverträglichkeiten ausnahmslos erst ab einer gewissen Menge der auslösenden Substanz symptomatisch. Daher können auch Menschen mit Laktoseintoleranz gefahrlos das eine oder andere Adventgebäck genießen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit einer Enzymersatztherapie, Laktase wird von mehreren Herstellern angeboten, muss aber für eine verlässliche Wirkung etwa 10 bis 20 min VOR dem Essen/Trinken eingenommen werden.  Abschließend, noch ganz wichtig: Laktose wird in vielen Arzneimitteln als Stabilisator eingesetzt, diese geringen Mengen sind auch für Menschen mit stark ausgeprägter Laktoseintoleranz immer ungefährlich!

Dr. Albert Missbichler, Biochemiker