© Jay Wennington

Positives Essverhalten durch Achtsamkeit

Zu oft essen wir ohne Genuss und weit über unseren Hunger und über die Sättigung hinaus. Es ist wichtig, sich die vielfältigen äußeren Einflüsse bewusst zu machen, die uns zum Essen animieren. Die Achtsamkeit hilft uns langfristig unsere Ess-Gewohnheiten zu ändern. Ein weiterer Einfluss auf das Essverhalten ist z.B. das üppige Buffet, denn da kommen gleich mehrere Faktoren zusammen  - wie

  • Vielfalt und Menge der Speisen  
  • die Dauer der Mahlzeit 
  • viele Personen essen
  • Gesellschaft bei der Mahlzeit

Auch Essen neben Fernsehen, Kino, Computer und Autofahren ist oft mit geringer Achtsamkeit verbunden.

Achtsam spüren, was der Körper braucht, ist für jeden von uns notwendig.

Hunger ist der wichtigste innere Taktgeber für die Nahrungsaufnahme. Schlechte Laune und ein stark knurrender Magen hat oft einen niedrigen Blutzuckerspiegel als Auslöser. Unser auf Glukose ausgerichtetes Gehirn toleriert das nicht und das Bedürfnis zu essen ist extrem hoch (Heißhunger).

Eine wichtige Fähigkeit, die es dabei zu entwickeln gilt, ist die Unterscheidung zwischen Dingen, die man aufgrund Außenreizen essen will und denen, die man wirklich braucht. Psychologen haben in ihrer therapeutischen Arbeit mit Übergewichtigen die Erfahrung gemacht, dass die Betroffenen abgenommen haben, wenn sie versucht haben, genau das zu essen, was sie brauchen. Dabei setzen Klienten ihre Bedürfnisse in den Vordergrund und lernen dabei eine positive Aufmerksamkeit (Achtsamkeit) sich selbst gegenüber zu entwickeln und lernen aus sich selbst heraus ein Esseverhalten, das ihnen gut tut. Ob wir ein Essen oder Getränk gut vertragen, meldet uns der Körper mittels Genuss und Verträglichkeit zurück.

Beim Essen können Farb- und Aromastoffe sowie Geschmacksverstärker unserer Sensorik ein Schnippchen schlagen und eine bessere Qualität vorgaukeln, als das Lebensmittel tatsächlich hat. Sie sorgen so für einen hohen Genuss beim Verzehr (z.B. Chips, Gummibärchen, Schokolade mit „fruchtartigem Inhalt“). Die Täuschung funktioniert jedoch nur, solange wir nicht bewusst hinschmecken. 

Für vollen Genuss beim Essen ist Achtsamkeit und Zeit notwendig!

Essen wir nebenbei, also abgelenkt durch Gedanken, Gespräche oder Medien, können wir gar nicht wahrnehmen, ob wir Lust auf unser Essen haben und wie diese Lust abnimmt und die Sättigung zunimmt. Genuss lässt sich üben und schulen und so zu einer alltäglich Quelle der Achtsamkeit und Selbstfürsorge werden.


Auch leichtes Unwohlsein oder Blähungen sind Zeichen für mangelnde Verträglichkeit, die man ernst nehmen und den eigenen Speiseplan entsprechend ändern sollte. Das schließt auch ein, Rohkost, Vollkornprodukte oder andere, als gesund geltende Lebensmittel, bei mangelnder Verträglichkeit für sich in Frage zu stellen. Auch Zubereitungsart, die Kombination der Lebensmittel sowie Zeitpunkt und Menge des Verzehrs spielen eine Rolle. Diese Faktoren sind achtsam auf die individuelle Verträglichkeit hin zu untersuchen. Auch Selbst-Mitgefühl oder self-compassion, ist die Fähigkeit, sich seine Fehler und Unperfektheit zu verzeihen und seine Ziele weiter zu verfolgen, anstatt sich von negativen Urteilen über sich selbst lähmen zu lassen.

Literatur-Empfehlung: Fritsch GR: Praktische Selbst-Empathie: Herausfinden, was man fühlt und braucht.

Es wäre logisch, dass Appetit und Geschmack statistisch die wichtigsten Auswahlkriterien für Lebensmittel darstellen. Aber oft entscheiden wir beim Essen eher vernunftorientiert. Es sind Lebensmittel, die wir als gesundheitlich positiv bewerten, die ein gutes Preis-Leistungsverhältnis haben und soziale Motive und Gruppenzugehörigkeit vorweisen.

Wir können auch durch das, was wir essen oder nicht essen, Individualität und Abgrenzung ausdrücken. Einige Beispiele sind die Einhaltung religiöser Essregeln oder der Verzicht auf tierische Produkte – der Veganismus. Das Zusammenleben mit Kindern und der Wunsch, beim Essen ein gutes Vorbild zu sein, kann unsere Nahrungsauswahl beeinflussen sowie das Essen aus Höflichkeit.

Problematisch werden diese Faktoren erst, wenn sie Genuss und Geschmack als Auswahlkriterium für unser Essen völlig überlagern. Gesundheitliche Erwägungen und die Angst, das Falsche zu essen, oder die Angst zuzunehmen, können die Lebensqualität stark einschränken. Da kann es auch zu Essstörungen kommen, bei denen die Gedanken zwanghaft ums Essen oder Diäthalten kreisen. Achtsam mit dem eigenen Essverhalten umzugehen, ist auch schwierig in einer Welt, in der an jeder Ecke Essen (Fastfood) angeboten wird und gleichzeitig „Diät halten“ Mode ist.

Gerade Menschen mit langer Diätkarriere haben oft einen schlechten Zugang zu ihren Wahrnehmungen. Sie haben sich daran gewöhnt, Hunger, Appetit und Genuss zugunsten von vorgegebenen Ernährungsregeln zu ignorieren.

Möglichkeiten mit sich selbst besser zu kommunizieren

  • meditative Übungen und klassische Achtsamkeitsübungen wie der „Body-Scan“ und die „Sitzmeditation“. Durch die Zentrierung auf den Atem und das Loslassen der Gedanken verringert sich der Erregungsgrad des Gehirns und Ängste werden abgebaut.
  • körperliche Übungen wie Sport, Yoga oder Singen, die die Körperwahrnehmung und das Selbstbewusstsein stärken. Zentral dabei ist, dass die Übungen Selbstzweck und keinem Leistungsdruck unterworfen sind.

In mehreren Fortbildungen höre ich immer wieder über die 3 Schritte, wie Sie zum achtsamen Esser werden:

  1. Erkennen Sie, welche Regeln, Gewohnheiten und äußeren Umstände Ihr Essverhalten steuern. 
    Hinterfragen Sie, welche dieser Einflüsse Sie ändern wollen und können.
  2. Setzen Sie einige der Faktoren für eine definierte Zeit probeweise außer Kraft und nehmen Sie daraus resultierende Veränderungen in Ihren Körperreaktionen und Emotionen wahr. 
    Fühlen Sie sich mit dem geänderten Verhalten besser oder schlechter?
  3. Ziehen Sie Konsequenzen, welche Änderungen Sie beibehalten möchten, welche nur bei bestimmten Gelegenheiten sinnvoll sind und was beim Alten bleiben soll.

An dieser Stelle können Sie auch Alternativen aufstellen, die einer gesundheits-förderlichen Ernährung entsprechen und die Sie auf individuelle Stimmigkeit prüfen.

Alltagsübungen am Teller, um die Achtsamkeit zu fördern:

  • Verwenden Sie bevorzugt naturbelassene Lebensmittel ohne Zusatzstoffe.
  • Riechen Sie am Lebensmittel, um zu entscheiden, ob sie es essen/trinken wollen.
  • Atmen Sie vor Beginn der Mahlzeit zunächst 3-mal in Ruhe durch.
  • Essen Sie ohne Ablenkung durch Fernseher, Computer, Zeitung oder ähnlichem.
  • Essen Sie nur, was Ihnen schmeckt.
  • Versuchen Sie, nach jedem Bissen das Besteck abzulegen.
  • Essen Sie, bis Sie satt sind. Überprüfen Sie Ihre Sättigung im Verlauf der Mahlzeit.
  • Prüfen Sie, ob Sie sich nach dem Essen wohlig und zufrieden fühlen oder ob Ihnen etwas fehlt.

Praktische Hilfen sind auch Ernährungsexperten oder die Ernährungstagebücher, in denen Sie die gegessenen und getrunkenen Lebensmittel notieren und die beobachteten Reaktionen zuordnen. Gedanken und Gefühle sich selbst und dem eigenen Essverhalten gegenüber können Sie dort dokumentieren.

So kann sich das Essverhalten im Alltag an die sich ändernden Lebensumstände wie Hormonzyklus, Wetter, Jahreszeit oder Stressbelastung stetig anpassen und die Individualität des Einzelnen wird dabei berücksichtigt. 

Der Schlüssel dazu liegt in der Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse des Betreffenden, den achtsamen Übergang von der willentlichen Steuerung der Ernährung zu einem individuellen, intuitiv ausgewogenen Essverhalten.

Viel Erfolg und Achtsamkeit für 2017 wünscht Ihnen

 

Cathrin Drescher

www.cathrindrescher.at