© Fotolia VadimGuzhva

Nahrungsmittel Unverträglichkeiten

Du bist, was du isst! oder doch eher "Du isst, was du bist"? 

Dieser altbekannte Spruch wird dem deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach (1804–1872) zugeschrieben und er hält in beiden Aussageformen praktisch allen heute bekannten wissenschaftlichen Untersuchungen stand. 

Dr Missbichler

Und obwohl wir heute – 200 Jahre später – eigentlich sehr genau wissen, welche Ernährung unseren unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsstilen entsprechen würde, gibt es eine ständig wachsende Flut von Selbsthilfegruppen unterschiedlichster Ausprägung um die Folgen von Fehlernährung zu diskutieren und teils aberwitzige Strategien zur Verbesserung des allgemeinen Wohlgefühls auszuarbeiten.

Dr. Albert Missbichler

Biochemiker

 

 

Essen: von der Energieversorgung zum Genuss

Das Thema Nahrungsaufnahme muss beim Menschen im Gegensatz zu Tieren unter zumindest zwei Gesichtspunkten betrachtet werden: während bei Tieren das Fressen einzig und allein dazu dient, die nötige Energie für die Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit des Körpers zuzuführen hat sich beim Menschen schon früh ein sozialer Aspekt dazu entwickelt. Einerseits stärkt das gemeinsame Mahl in der Familie den emotionalen Zusammenhalt, andererseits hat sich sehr bald das Gefühl „Genuss“ zusätzlich zur Stillung des Energiebedarfs dazugesellt.

Bereits im Gilgamesch-Epos wird die Kunst des Bierbrauens beschrieben und die derzeit älteste bekannte Beschreibung der Weinherstellung in der Areni-1-Höhle in Armenien datiert 4100 vor Christus. Man kann also behaupten, dass die Herstellung von Genuss- und Rauschmitteln immer schon ein wesentlicher Teilaspekt der Entwicklung unserer Gesellschaft war.

Überfluss (zer)stört

Mit zunehmendem Wohlstand in der sogenannten westlichen Welt und der damit einhergehenden nahezu permanenten Verfügbarkeit von Lebensmitteln aller Art hat sich im Lauf der letzten Jahrzehnte das Thema „Essen und Trinken“ praktisch völlig von der ursprünglichen Aufgabe der Energieversorgung entkoppelt. Parallel dazu ist uns leider auch das Gefühl für die Bedürfnisse unseres Körpers in vielen Fällen verloren gegangen. Ich wage zu behaupten, dass ein Großteil der heute unter Vierzigjährigen die Empfindung „Hunger“ aus eigener Erfahrung nicht kennt. Mit dem Verlust des Wissens um die Bedürfnisse des eigenen Körpers sind auch die über viele Generationen entwickelten biochemischen Regulations- und Steuerungsmechanismen nahezu wirkungslos geworden. Das hat wiederum zur Folge, dass wir nicht dann essen und trinken, wenn es der Körper braucht sondern dann, wenn es gut in die Planung des Arbeitstages passt oder wenn ein gesellschaftliches Ereignis (von der Kaffeepause bis zum Festmahl) stattfindet. Somit schließt sich der Kreis zum Titel dieser ersten Folge: Essen und Trinken definiert sich im Wesentlichen durch das soziale Umfeld und orientiert sich kaum an den wirklichen Bedürfnissen unseres Körpers.

Auf die biochemischen und physiologischen Folgen und Zusammenhänge dieses Ernährungsverhaltens werden wir in der nächsten Folge eingehen.

© otolia_psdesign1